Bronzezeit in Schottland: Nur die Frauen reisten in eine neue Heimat
Der Orkney-Archipel liegt, etwas abgelegen, nördlich der schottischen Küste. Und vielleicht deshalb drangen die Veränderungen, die Europa beim Übergang vom Neolithikum in die Bronzezeit erfassten, nicht bis auf die Inselgruppe vor. So lautet bisher die überwiegende Lehrmeinung. Nun zeichnen Forschende um die Archäologen Hazel Moore und Graeme Wilson von der Grabungsfirma EASE Archaeology ein anderes Bild jener Zeit in dieser Region.
Am Fundplatz Links of Noltland auf der Orkney-Insel Westray legten sie eine Siedlung samt Friedhof frei, die ungefähr aus der Zeit von 2300 bis 1500 v. Chr. stammen. DNA-Analysen an den Knochen von 22 Individuen ergaben, dass die Frauen der Gemeinschaft den genetischen Fingerabdruck der britischen Hauptinsel und der kontinentalen Bevölkerung aufweisen. Die Männer hingegen waren Abkömmlinge der alteingesessenen Bevölkerung, die schon während der Jungsteinzeit auf die Orkney-Inseln gekommen war. Offenbar war die dortige Gemeinschaft anders als bislang angenommen in Kontakt mit Gruppen anderswo gestanden, deren Frauen in die Orkney-Gesellschaft einheirateten.
Das Erbe wurde wohl nicht aufgeteilt
Wie die Archäologengruppe im Fachjournal »Antiquity« schreibt, entdeckte sie in Links of Noltland die Überreste von 35 Häusern und die Bestattungen von ungefähr 100 Verstorbenen. Die Toten lagen auf drei Bereiche konzentriert, weshalb Moore & Co sie als drei große Haushalte interpretieren. Die Größe der Gruppen scheint sich im Lauf der Jahrhunderte kaum verändert zu haben. »Das legt nahe, dass die Güter unter den Erben nicht aufgeteilt wurden, sondern intakt blieben«, schreiben die Forschenden in ihrer Studie. Vermutlich seien Menschen aus den drei Gemeinschaften auch fortgezogen, damit die vorhandenen Ressourcen für die ansässige Bevölkerung ausreichten.
Denn im Lauf des 2. Jahrtausends v. Chr. waren in Links of Noltland immer mehr Flächen versandet. Daher passten die Bewohner auch ihre bäuerliche Lebensweise an, womöglich gefördert durch die zugezogenen Frauen: Sie hielten vermehrt Schafe statt Rinder, bauten mehr Gerste an und düngten mit Tiermist.
Über ein ähnliches Szenario haben Expertinnen und Experten 2017 in Deutschland berichtet. Im Lechtal bei Augsburg stießen sie auf Gräber, in denen ab 2500 v. Chr. Frauen bestattet wurden, die ursprünglich aus der Region des heutigen Sachsen-Anhalt stammten. Womöglich brachten die Einwanderinnen auch das Wissen um die Bronzeherstellung in ihre neue Heimat. Die Geschehnisse auf den Britischen Inseln wie auf dem Festland gehören in die Phase der Glockenbecher. Der Gefäßtyp fand sich über weite Regionen Europas verstreut. Das Auftreten der Glockenbecherleute markiert den Übergang von der Jungsteinzeit in die Bronzezeit.
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